Schon eine Woche nach meiner Ankunft hier im Projekt, gings für mich auf eine kurze Auszeit ins drei Stunden entfernte Samaipata, ein beliebtes Wochenendziel und Aussteigerparadies. Anna-Maria und auch andere Volos hatten schon im Vorfeld von dem kleinen Ort geschwärmt und so war für uns vier auch klar, dass wir uns das anschauen wollten. Anna meinte, es wäre außerdem eine gute Möglichkeit für uns als Gruppe uns besser kennenzulernen (also mich auch in einer entspannten Atmosphäre zu integrieren). Der Plan war schnell gefasst, die Urlaubserlaubnis eingeholt und dann gings auch schon los. Oder zumindest wären die vier Volontärinnen startklar gewesen, unser Taxifahrer Ramiro allerdings weniger. Nachdem er dann schließlich geweckt werden konnte, sind wir dann mit einer Stunde Verspätung Richtung Stadtzentrum zum trufi-Warteplatz. (Trufis sind Sammeltaxis mit denen man um 30 Bolivianos, also um 3,50 Euro bis nach Samaipata fahren kann.) Aber eine Stunde Verspätung ist alltäglich hier in Bolivien, man stellt sich darauf ein, obwohl es mir oft schon schwerfällt ruhig zu bleiben, wenn einfach niemand irgendeine Uhrzeit einhält. Unserer Vorfreude auf drei Tage Urlaub im Grünen, konnte dadurch nicht getrübt werden. Für mich war es ein erstes kleines Kennenlernen der großen Vielfältigkeit Boliviens und seiner Bewohner. Allein die Fahrt im trufi, das eigentlich für 6 Personen gebaut ist, aber mit 8 Fahrgästen plus Fahrer angefüllt wird. Ja, sowas ist ganz normal, dass man sich einen Sitz teilt (ich bin fast die gesamte fahrt halb am Schalthebel gesessen...) oder jemand im Kofferraum Platz nimmt. Sicherheitsgurte sind eine nette Zugabe im Auto (falls es überhaupt welche gibt) und Ampeln oder Zebrastreifen dienen oft auch nur zur Dekoration der Straßen. Kurz gesagt, Autofahren in Bolivien ist ein Abenteuer an sich und kostet einen Europäer manchmal den ein oder anderen Nerv. Aber zurück zu Samaipata. Trotz der wenig bequemen Sitzposition war die Fahrt schon total schön; raus aus der stinkenden Stadt und hinein in die - zugegebenermaßen nicht ganz so saubere - Natur.
Und ich ertappte mich selbst ein paar Mal dabei, wie ich grinsend zu mir selbst sagte: "Ich bin gerade tatsächlich in Südamerika. Ich kanns fast nicht glauben." Kurz gesagt, meine Begeisterung war (und ist es nach wie vor) ziemlich groß, weil Südamerika einfach schon seit so langer Zeit ein Traum von mir ist.
Genug davon und weiter auf unserem Ausflug. Wir sind zu Mittag im 4000-Seelen-Ort, der am Südrand der östlichen Anden auf 1640 Metern Seehöhe liegt, angekommen und haben uns gleich als erstes ein Mittagessen gegönnt. Das klingt eigentlich wie etwas ganz Alltägliches, aber als Volontärin wird dir von Anfang an gesagt, dass du vorsichtig sein musst beim Essen. Dann sitzt du plötzlich in einem Restaurant und liest viele köstliche Dinge auf der Speisekarte, aber traust dich nicht wirklich, etwas auszuwählen. Ok, das ist vielleicht übertrieben, trotzdem schränkt man sich irgendwie ein. Daheim würde ich beispielsweise einen grünen Salat essen, hier in Bolivien definitiv nicht (was wirklich schade ist, weil er sehr gut ausschaut...). Egal, ich bin auf Nummer sicher gegangen mit einem Hamburger. Ironischerweise enthält ein solcher ja auch meistens etwas grüne Dekoration...
Nach unserer ersten entspannten Urlaubsmahlzeit, haben wir uns dann auf die Suche nach unserer Unterkunft gemacht. Wir hatten nämlich im Vorfeld schon eine Ferienhütte ("cabaña") reserviert, die zur Anlage einer Österreicherin gehört. Obwohl wir uns zuhause schon die genaue Adresse der "Cabañas de Traudi" herausgesucht hatten, mussten wir bei den Einheimischen nachfragen und uns wurde mitgeteilt, dass es ca. zwei Kilometer bis dorthin seien. Nicht besonders motiviert von dieser Auskunft haben wir uns irgendwie durchgefragt, sind währenddessen von einem Regenguss gebadet worden, aber habens schließlich doch geschafft.
Die Anlage von Traudi ist ein echtes Paradies mit wunderschön gepflegten Gartenanlagen, einem Pool und sogar einem kleinen Restaurant. Beste Vorraussetzungen also für drei entspannte Tage Auszeit.
Kathi war leider die ganze Zeit krank, wir anderen haben uns trotzdem nicht den Spaß verderben lassen und sind gleich auf ein Eis in die Stadt gegangen.
Den nächsten Tag wollten wir für einen Ausflug zur "Fuerte de Samaipata" und zu den
"Cuevas" (Wasserfälle) nutzen. Dafür haben wir uns einen eigenen Fahrer engagiert (er war ziemlich angetan von den vier "gringas" und wollte uns ständig mit seinen Komplimenten und seiner extra lauten Musik beeindrucken...). Nichtsdestotrotz war es wirklich ein toller Tag. Ich habe meine erste Inka-Stätte gesehen :D und die Wasserfälle waren echt schön. Abends sind Anna, Marie und ich dann noch fein essen gegangen. Wir waren die ersten Gäste im Restaurant und dann kam die Traudi mit ihrem Ehemann und ein paar Freunden herein. Plötzlich haben fast alle Leute Deutsch gesprochen, sogar die Kellnerin, die Tochter eines Deutschen und einer Bolivianierin. Auch solche Begegnungen erlebt man mitten in Südamerika. Unser Essen war auf jeden Fall ausgezeichnet und als krönenden Abschluss haben wir uns noch einen Drink in der einzigen Bar Samaipatas gegönnt.
Und schon war der letzte Tag unseres Kurztrips gekommen. Vor unserer Abreise wollten wir unbedingt noch ein bisschen mit der lieben Traudi quatschen und aus einem kurzen Gespräch wurde eine ausgedehnte Unterhaltung aus der wir unter anderem die Nummer des österreichischen Generalkonsuls in Santa Cruz mitnehmen konnten. Gute Beziehungen sind schließlich alles...
Bevor es dann wieder mit dem trufi auf die Rückfahrt ging, sind wir noch einmal essen gegangen. Das war ein gelungener Abschluss für eine kurze, aber schöne Ausszeit vom Leben im Haus des Segens.